Anatomie

Anatomie ist seit alters her das medizinische Grundlagenfach, da ohne eine gründliche Kenntnis der normalen Anatomie des Menschen auch eine Beurteilung von Krankheitsprozessen und pathologischen Veränderungen nicht möglich ist. Entsprechend nimmt der Anatomieunterricht in der Ausbildung von Physiotherapeuten und Masseuren einen sehr breiten Raum ein.

Besondere Höhepunkte sind dabei die Besuche im Anatomischen Institut der Universität mit der Demonstration anatomischer Präparate, die wir zweimal während der Ausbildung durchführen, einmal im ersten Ausbildungsjahr und ein zweites Mal gegen Ende der Ausbildung zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung.

Die Präparate stammen von Körperspendern, die sich zu Lebzeiten unentgeltlich und aus Idealismus dem Anatomischen Institut für die medizinische Forschung, Lehre und Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben.

In diesen Führungen werden besonders eindrücklich Einblicke in die menschliche Anatomie gewährt, und der Körperbau des Menschen, vor allem auch die Funktion des Bewegungsapparates im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar.

Wer einmal das Gleiten der Menisken beim Beugen des Kniegelenkes am Präparat gesehen hat, wird dieses Wissen auch später am Patienten anwenden können. Die Funktion der Muskeln beim Bewegen von Gelenken selbst zu erfahren, schafft die Basis für das Verständnis der Anatomie des Bewegungsapparates und der Entstehung von Krankheitsprozessen, aber auch für die Entwicklung von Therapieansätzen.

Auch Krankheiten innerer Organe können sich erschließen und Zusammenhänge verständlich machen. Was bedeutet es etwa, wenn das Foramen ovale zwischen rechtem und linkem Vorhof nur unvollständig verschlossen ist, warum kann eine Arteriosklerose der Aorta zu einer Herzvergrößerung führen oder wie zeigt sich ein Lungenemphysem nach jahrelangem Nikotinmissbrauch.

Durch diese Führungen wird aber nicht nur das Wissen um die Anatomie des menschlichen Körpers erweitert. Zu keiner Zeit geht dabei das Bewusstsein verloren, dass es sich dabei um die Körper Verstorbener handelt, entsprechend pietätvoll ist der Umgang mit den Präparaten. So vermitteln die Führungen gleichzeitig auch Ehrfurcht vor dem menschlichen Körper aber auch Dankbarkeit und Respekt vor der Enstscheidung der Körperspender.

Diesem Zweck dient auch eine ausführliche Vorbesprechung zum Umgang mit den Körperspendern aber auch ihrer Beisetzung im Rahmen einer ökumenischen Feier.

Das unterscheidet diese anatomischen Demonstrationen von der Zurschaustellung von Plastinaten, wie sie z.B. in der Ausstellung „Körperwelten“ zu sehen ist. Dort wird, obwohl es sich auch dort um Verstorbene handelt, von vielen Besuchern nicht mehr der Mensch in den Präparaten gesehen, das Menschliche ist verloren gegangen. Auch Gespräche mit Schülern zeigen, dass gerade das Bewusstsein um die menschliche Natur der Plastinate nicht mehr in jedem Fall vorhanden ist. Zudem können die Plastinate auch nicht berührt und bewegt werden.

Sicher sind die Einblicke in den menschlichen Körper, die hier gezeigt werden, faszinierend. Dennoch drängen sich mir dabei einige Fragen auf, die ich auch für mich noch nicht abschließend geklärt habe:

Ist es mit der Würde des Menschen vereinbar, dass sein Körper nach seinem Tod zur Schau gestellt wird? Ist es pietätvoll, wie jüngst geschehen, einen solchen Menschen mit Weltkugel auf dem Rücken auf dem Nürnberger Hauptmarkt als Werbegag für die Ausstellung aufzustellen?

Wenn es, wie stets propagiert, nur um Aufklärung und Wissensvermittlung geht, ist es dann wirklich nötig, die Körper in immer wieder anderen Posen darzustellen?

Oder soll vielleicht doch primär der Voyeurismus der Menschen bedient werden? Und dann wären wir wieder bei der ersten Frage.

 

Philanthropos Berufsfachschule für Physiotherapie
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